Wenn Herr Klinge kocht und singt
Musik kann auf der Bühne Räume erschaffen. Räume, die mit Vorhängen, Bühnenbildern, Lichttechnik und Co. nicht hergestellt werden können. In der Parchimer Inszenierung von Wie der Wahnsinn mir die Welt erklärte gelingt das der Musik von Jan Maihorn. Von Julian Fuhrmann
Ich liebe ja Musik, vor allem basslastige. Auch meine Lieblingstheaterstücke sind fast immer voll davon. Ein Grund mehr, mich mal mit der Musik in unserem Parchimer Jugendstück Wie der Wahnsinn mir die Welt erklärte zu beschäftigen.
„Wie der Wahnsinn mir die Welt erklärte“ (2019) ist ein fantastisches Jugendbuch von Dita Zipfel. Darin trifft die 13-jährige Lucie auf den scheinbar verrückten Herrn Klinge, der ihr einen Nebenjob als Hundesitterin anbietet. Er hat dann allerdings gar keinen Hund zum Gassigehen, dafür aber jede Menge Rezepte, z. B. für „Ghulacamole“. Die soll Lucie für ihn aufschreiben. Die Bezahlung stimmt (sehr sogar), und so lässt sich Lucie auf ein Experiment ein, das ihr Leben auf den Kopf stellen wird.
Die Regisseurin Jule Kracht hat daraus gemeinsam mit ihrem Team ein Stück gemacht, das es in sich hat. Das liegt auch an der Musik und den Arrangements von Jan Maihorn. Ich habe mit Jan über seine Arbeit für den Wahnsinn gesprochen. Was mich besonders interessiert: Was kann Musik erzählen, was Theater allein nicht kann?
Für Jan war es wichtig, dass die Sounds junge Zuschauer:innen abholen und mitreißen. Also welche Lautstärken, welche Tempi, welche Beats können an ihre Vorlieben anknüpfen, was macht sie neugierig? Für Klinge – gespielt von dem Musiker und Schauspieler Julian Dietz – hat Jan eine von Drum ’n’ Bass getriebene Musik geschrieben. Klar, Klinge sei ein älterer Herr und ziemlich seltsam, aber definitiv auch auf Zack: „Alle wollen ihn, keiner kriegt ihn!“ (Zitat Klinge) Seine ominös-seltsamen Rezepte passen in kein klassisches Kochbuch, weshalb Klinge in seinen Ausführungen über seine kulinarischen Kreationen musikalisch gesehen auch gerne mal zum Rapper mutiert.
Musik, so Jan, kann auf der Bühne Räume erschaffen. Räume, die mit Vorhängen, Bühnenbildern, Lichttechnik und Co. nicht hergestellt werden können. Im Parchimer Malsaal helfen Sounds und Atmos z. B. dabei, Lucies Zuhause in ein Schwimmbad zu verwandeln. Oder Klinges Kosmos zu etablieren. Auf der kleinen Bühne kann dieser sich nämlich sonst nur hinter einem rostigen Rollladen entfalten. Es braucht also akustische Räume und psycho-akustische Effekte, um als Zuschauer:in voll und ganz in das Geschehen eintauchen zu können.
Es geht aber auch um die inneren Räume der Figuren. Was sie erleben, fühlen, was sie umtreibt, das zeigen uns im Wahnsinn Soundcollagen und Songs wie „Drachenliebe“, für Jan übrigens der musikalische Höhepunkt im Stück. Er möchte die Zuschauer:innen mit Songs wie diesem zu einem Gefühl eingeladen. Das muss nicht heißen, dass sie sofort davon gepackt werden. Vielleicht dauert es gerade bei jungen Menschen manchmal länger. Etwa wenn die Musik emotional und durchlässig wirkt. Vielleicht werden die Gefühle erstmal verdrängt, die dabei auftauchen.
„Drachenliebe ist der Puderzucker auf der Kirsche auf der Sahne auf dem Eis“. Ich verspreche Ihnen: Nach einer Aufführung von Wie der Wahnsinn mir die Welt erklärte geht Ihnen diese Liedzeile garantiert nicht mehr aus dem Kopf. Und weil mir das auch so geht, biete ich für alle Lehrer:innen unter Ihnen am 01. März um 16 Uhr eine kostenfreie Fortbildung an, in der wir uns spielerisch mit der Beziehung zwischen Musik und Theater beschäftigen. Melden Sie sich an! Ich dreh auch den Bass auf.
Veröffentlicht im Februar 2022
Die Inszenierung Wie der Wahnsinn mir die Welt erklärte ist ab dem 26. Februar in Parchim und ab dem 01. März in Schwerin zu sehen.
Tickets für die Parchimer Vorstellungen sind über die Theaterkasse in Schwerin und ab dem 22. Februar auch über die Kasse in Parchim erhältlich.
Der Theaterpädagoge Julian Fuhrmann bietet am 01. März eine kostenfreie theaterpraktische Fortbildung für Pädagog:innen zur Inszenierung an.
Bei Interesse melden Sie sich bitte per Mail über fuhrmann@mecklenburgisches-staatstheater.de oder telefonisch unter 03871 62 91-220 an.
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