Premierengeflüster #6

Patrick Wengenroth ist freischaffender Regisseur. 2003 ist er Mitbegründer des Theaterdiscounter in Berlin, einer freien Spielstätte, die bis heute existiert. Nach dem Abitur und Zivildienst arbeitet er am Theater, erst in Hamburg, dann in Berlin an der Volksbühne, später an der Schaubühne. Überwiegend aber in der Freien Szene. Momentan, so sagt er, sei er vor allem Vater zweier Teenager. Was der neuen Inszenierung Neues vom Räuber Hotzenplotz nur zuträglich sein kann, auch wenn seine Beiden, schon aus dem Gröbsten raus sind…

 

Worauf können wir uns freuen, Patrick?
Es gibt den wundervollen Text von Preußler, ein abwechslungsreiches, buntes Bühnenbild, es gibt diese tolle Musik, eine Dackel-Krokodilpuppe und sehr tolle Kostüme – also: eine kleine musikalisch-poetische Wundertüte.

 

Hattest du direkt Lust, den zweiten Teil von Räuber Hotzenplotz weiterzuerzählen?
Zusammen mit der Schauspieldirektorin Nina Steinhilber und der Dramaturgin Jenny Bischoff habe ich 2022 den ersten Teil gemacht und das hat so viel Spaß gebracht, dass wir sagten: „Lass‘ doch danach das zweite Buch von Otfried Preußler machen!“ Und das ist das, was wir jetzt machen: Neues vom Räuber Hotzenplotz.

 

Muss man den ersten Teil kennen beziehungsweise gesehen haben?
Der zweite Teil ist ein vollkommen eigenständiges Buch. So wird es auch auf der Bühne eine komplett in sich geschlossene Story.

 

Was bleibt, was ist anders?
Der Dimpfelmoser ist geblieben, die Großmutter ist geblieben, Kasperl und Seppel sind geblieben und der Hotzenplotz erst recht, deswegen heißt es ja auch Neues vom Räuber Hotzenplotz. Es gibt nicht mehr den Zauberer Zwackelmann, den gibt es nur in Teil eins. Jetzt kommt die Hellseherin Frau Schlotterbeck, die ihren Dackel in ein Krokodil verwandelt hat und es nicht rückgängig machen kann. Im ersten Teil klaut Hotzenplotz die Kaffeemühle von der Großmutter. Der zweite Teil beginnt wieder mit den beiden. Die Großmutter macht Bratwürste und Sauerkraut, der Hotzenplotz kommt ausgehungert aus dem Gefängnis und isst das alles auf und damit nimmt das Unheil seinen Lauf…

 

Was ist dir wichtig, wenn du an Familienstücke denkst?
Ich bin ein sehr großer Fan von den Muppets und der Sesamstraße. Das gucke ich immer noch wahnsinnig gerne, weil da die Kinder ernst genommen werden und was zu lachen haben, aber die Erwachsenen ebenso – die lachen zum Teil aber über andere Sachen als die Kinder. Beim Familienstück kommen Kita- und Schulkinder und am Wochenende Familien mit Oma, Opa, Onkel, Tante. Mein Anspruch ist, dass die Kinder Spaß haben, aber auch die anwesenden Erwachsenen auf ihre Kosten kommen.

 

Klingt nach einer gleichermaßen herausfordernden wie beglückenden Aufgabe…
Ich liebe Theatermachen sowieso, aber für jüngere Menschen erst recht, weil sie auf alles unmittelbar reagieren. Sie hüpfen beim ersten Song schon sofort von den Sitzen und setzen sich dann auch die achtzig Minuten nicht wieder hin. Die fiebern mit! Die einen sind für den Räuber, die anderen fiebern mit der Großmutter mit, die dritten mit Kasperl und Seppel. Es gibt Interviews, in denen Preußler sagt: Kinder kann man nicht belügen. Kinder sind das kritischste Publikum. Er meint das im positivsten Sinne, weil man bei Kindern nicht mogeln kann. Sie reagieren immer ganz unmittelbar, auf alles, was da auf der Bühne passiert.

 

Wie wirkt sich das auf deine Arbeit aus?
Ich mag es, dass man das Publikum direkt anspricht. Die vierte Wand ist immer offen. So mache ich gern Theater. Außerdem finde ich, dass gerade in Zeiten, in denen viel an Kultur gespart wird, eine frühe Bekanntschaft junger Menschen mit dem Medium Theater für das kulturelle Klima in unserer Gesellschaft total wichtig ist. Nur wenn man auch mal im Theater war, weiß man darum und überlegt sich dann eventuell, als Jugendlicher oder später als erwachsener Mensch, wieder ins Theater zu gehen. Da teile ich im übertragenen Sinne Preußlers Meinung, aber eben aus der Sicht des Theatermachenden: Wer nicht liest, bleibt dumm.

 

Du schätzt Preußler und seine Arbeit sehr.
Ich bin ein riesengroßer Preußler-Fan. Ich hoffe, dass noch möglichst viele Menschen auch heutzutage, ihren Kindern seine Geschichten vorlesen. Ob das jetzt „Der kleine Wassermann“ oder „Die kleine Hexe“ oder ja, eben Der Räuber Hotzenplotz ist. Das sind einfach unfassbar schöne, literarisch hochwertige Bücher, die aus dem deutschsprachigen Literaturkanon nicht wegzudenken sind.

 

Wie wird dann aus Literatur ein Stück für die Bühne?
Eigentlich beschäftige ich mich schon seit einem Jahr mit dieser Inszenierung. Im Sommer habe ich dann die erste Fassung geschrieben. Ich mache das immer gern selbst, also zusammen mit dem jeweiligen Ensemble und der Dramaturgie, damit einerseits die Poesie der Literatur nicht verloren geht und zugleich die Dialoge den einzelnen Schauspieler:innen wie ein gut sitzendes Kleidungsstück auf den „Leib geschrieben werden“.

 

Man spürt, deine Leidenschaft zum Stück. Was magst du so an Preußler?
In seinen Figuren steckt einfach viel Humor. Auch der Räuber hat auf seine Art einen ehrenwerten Kern ebenso der Polizist Dimpfelmoser. Alle haben so ihre Macken und das wird auch nicht kaschiert. Neben dem Humor und der Ehrlichkeit in den Figuren, gibt es auch Szenen, die traurig sind oder wo man Angst hat um Kasperl, Seppel und die Großmutter. Vielleicht tut der Räuber ihnen ja am Ende doch was Böses an? Und bei Preußler geht es immer auch um das Sinnliche. Was beim ersten Teil der Kaffeeduft und der Pflaumenkuchen waren, sind jetzt die Würstchen mit Sauerkraut, die so gut riechen, oder die Schwammerlsuppe.

 

Bei einem Familienstück darf Musik natürlich nicht fehlen. Matze Kloppe hat für diese Inszenierung Songs komponiert, die im Kopf bleiben. Hast du eigentlich seit Probenbeginn einen Dauerohrwurm?
Ja, natürlich! Wenn die Musik kommt, bei der, die Refrains auch noch so eingängig sind, die gehen einem den ganzen Tag nicht aus dem Kopf. Diesmal spielen ja wie gesagt Bratwürste und Sauerkraut eine große Rolle und deshalb gibt es, vielleicht kann ich so viel schon verraten, zwei Songs, in denen Würste im Zentrum stehen. Schön ist, dass es auch diesmal wieder eine CD geben wird, mit den Songs von Matze Kloppe, eingesungen vom Hotzenplotz-Ensemble.

 

Wenn ich jetzt noch überlege, ob ich mir das Stück anschaue, wie lädst du mich ein?
Ich kann nur jedem ans Herz legen sich Neues vom Räuber Hotzenplotz anzugucken, weil es eine sehr musikalische, kurzweilige, spannende wie lustige Geschichte für Kinder und Erwachsene ist. Alle aus dem Ensemble, die mitmachen, sind auch selbst Fans von Preußler und seinen Figuren und ich glaube, dass sich das von der Bühne auf die Zuschauer:innen übertragen wird.

 

Das Interview führte Claudia Kottisch.

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