#msthistorisch – 460 Jahre Staatskapelle

Anlässlich des 460-jährigen Jubiläums der Mecklenburgischen Staatskapelle Schwerin haben wir historische Höhepunkte gesammelt und zusammengestellt. Tauchen Sie in die Geschichte unseres prächtigen Orchesters ein!

#1: Gründung

#1 Gründung

Am 17. Juni 1563 wurde die Mecklenburg-Schweriner Hofkapelle unter Herzog Johann Albrecht I. gegründet, unsere heutige Mecklenburgische Staatskapelle Schwerin. Erster Kapellmeister einer der ältesten Kapellen Deutschlands war David Köler. Damals widmete die Hofkapelle sich hauptsächlich der Vokalmusik. Vereinzelte Instrumentalisten, insbesondere Posaunisten, Zinkenbläser, Trompeter und Paukenschläger, dienten der Untermalung von Kirchenchören. Die Klänge waren sehr höfisch und religiös geprägt. Doch die Hofkapelle war etwas Besonderes, da Mecklenburg zu dieser Zeit wenig künstlerisch geprägt war.

Gründungsurkunde
Gründungsurkunde der Mecklenburgischen Staatskapelle Schwerin
#2: Hofkapelle zu Ludwigslust

#2: Ludwigsluster Klassik

1764 verlegte Herzog Friedrich der Fromme den Mecklenburg-Schweriner Hof nach Ludwigslust. Die Hofkapelle folgte 1767. Gelder für die Musikförderung waren in der Nachkriegszeit des Siebenjährigen Krieges jedoch eingeschränkt. Die Kapelle bestand ungefähr aus 36 Musikern und Musikerinnen. Trotz der Geldknappheit war Friedrich der Fromme der bedeutendste Regent für die Hofkapelle. Durch seine große Begeisterung für die Musik und ausgeprägte Pflege dieser erlangte die Hofkapelle zu Ludwigslust schnell deutschlandweite Anerkennung. Bewerbungen gab es sowohl aus dem In- als auch Ausland. Nach dem Tod des Herzogs 1785 verfolgte sein Nachfolger Friedrich Franz I. eine fast genauso rege Förderung der Kapelle.

Schloss Ludwigslust
Schloss Ludwigslust 1806, Gouache von Wilhelm Barth
Porträt Herzog Friedrich (1772), Gemälde von Georg David Matthieu, Sammlung Gut Hohen Luckow
Porträt Herzog Friedrich (1772), Gemälde von Georg David Matthieu, Sammlung Gut Hohen Luckow
#3: Ludwigsluster Klassiker

#3: Ludwigsluster Klassik

Erster Kapellmeister der Hofkapelle zu Ludwigslust war Carl August Friedrich Westenholz. Unter ihm erlangte die Kapelle einen Ruf, der über die Grenzen Mecklenburgs hinaus ging. Seine Karriere bei der Hofkapelle begann schon 1749 mit 13 Jahren als Kapellknabe. Später wurde er Kammersänger und Konzertmeister, bis er schließlich 1770 zum Kapellmeister ernannt wurde. Dieses Amt hielt er bis zu seinem Tod 1789 inne. In den ersten zwei Jahrhunderten des Bestehens leitete niemand die Kapelle länger als Westenholz. Ungewöhnlich für die damalige Zeit diente die Ludwigsluster Klassik nicht nur der musischen, sondern hauptsächlich der religiösen Erziehung. Die musische und religiöse Wertevermittlung des Volkes lag dem Herzog am Herzen. Konzerte waren der Bevölkerung unabhängig vom Stand meist frei zugänglich. Sie fanden sowohl im Goldenen Saal des Schlosses, als auch in der Hofkirche statt. In Ludwigslust entstanden viele Eigenkompositionen, unter anderem von Westenholz und seinem Nachfolger Anton Rosetti (1789-1792 Kapellmeister). Auch heute noch erklingen diese bei Konzerten der Staatskapelle in Ludwigslust.

Ludwigsluster Hofkapelle
Ludwigsluster Hofkapelle 1770, Gouache von Leopold August Abel
#4: Erste Frau am Dirigentenpult
Sophie Westenholz
Landeshauptarchiv Schwerin Best. 13.1-2 Bildersammlung Personen, Sophie Westenholz Nr. 1

Nachdem Westenholz und sein Nachfolger Rosetti gestorben waren, übernahm erstmals eine Frau das Dirigat der Hofkapelle. Sophie Westenholz hatte eine Begabung für Musik, die sie zu einer deutschlandweit bekannten Pianistin, Sängerin, Glasharmonikaspielerin, Komponistin, Klavierlehrerin und Dirigentin machte. Sie spielte unter anderem Konzerte in Berlin, Leipzig und Kopenhagen. Auch der Erbprinz in Ludwigslust erkannte ihr Talent und ermöglichte ihr eine Ausbildung am Hof. Mit 17 Jahren wurde sie in die Hofkapelle aufgenommen und drei Jahre später zur Hofsängerin ernannt. 1777 heiratete sie Carl Westenholz und bekam acht Kinder mit ihm, was ihre Gesangslaufbahn einschränkte. Nach dem Tod ihres Mannes setzte sie ihre Karriere fort und lehrte den Töchtern der herzoglichen Familie das Klavierspiel. Aus Geldnöten der Kapelle durfte Westenholz wohl von 1789 bis 1814 auch gelegentlich als Kapellmeisterin fungieren und leitete Konzerte vom Klavier aus, Gerüchten zufolge in Männerklamotten. Am 21. Mai 2023 wurde unsere Orchesterakademie auf den Namen der ersten Frau an der Spitze der Hofkapelle getauft: Sophie Westenholz.

#5: Hoftheaterorchester

Unter Großherzog Paul Friedrich wurde die Residenz zurück nach Schwerin verlegt. Die Kapelle zog 1837 ins neu errichtete Hoftheater von Georg Adolph Demmler. Er war auch Architekt des Marstalls, welches dem Orchester seit letztem Jahr als Probenraum dient. Da die Musiker:innen umsiedeln mussten, wohnten sie zunächst im Schloss. Aus Platzmangel erhielten sie später einen Ertrag, mit dem sie und ihre Familien umziehen konnten. Unter der Führung von Musikdirektor und Orchesterleiter Carl Schmidtgen wurde die Kapelle zum Hoftheaterorchester. Zu dieser Zeit gehörten ca. 20 Musiker:innen der Kapelle an. Im Theaterdienst spielten sie zunächst keine Konzerte, sondern lediglich einzelne Stücke in den Zwischenakten und zu Beginn einer Theatervorstellung, was viel Publikum anzog. Ein großer Erfolg in dieser Zeit war das Zweite Norddeutsche Musikfest 1840, bei dem unter Leitung von Felix Mendelssohn Bartholdy 150 Orchestermusiker und 340 Chorsänger auftraten.

Hoftheater von Georg Adolph Demmler, Archiv Mecklenburgisches Staatstheater
Hoftheater von Georg Adolph Demmler, Archiv Mecklenburgisches Staatstheater
#6: Kapelle unter neuem Glanz

Zur Zeit der Ludwigsluster Klassik erreichte der Ruf der Kapelle einen Höhepunkt, der sich durch den Umzug nach Schwerin und die wenigen Konzerte schmälerte. Erst unter Intendant Friedrich von Flotow (1855–1862) erholte sich dieser wieder. Georg Alois Schmitt (Pianist und Komponist) übernahm 1856 den Posten des Musikdirektors und Kapellmeisters am Hoftheater. Er veranstaltete große Musikfeste, wodurch Schwerin sich zu einem norddeutschen Musikzentrum entwickelte. So zog es Solist:innen wie Clara Schumann und Komponisten wie Brahms, Mendelssohn Bartholdy und Wagner in die Stadt. Schwerin galt nun auch als Wallfahrtsort für die norddeutsche Wagner-Gemeinde. Mit der Einführung eines Abonnementsystems, in welchem auch das Konzertabonnement einen Platz fand, baute sich der Ruf des Orchesters langsam wieder auf. Ein Großes Vocal- und Instrumentalkonzert, bestehend aus einem reinen Mozart-Programm, ebnete den Weg zu regelmäßigen Sinfoniekonzerten, wie sie die Staatskapelle noch heute spielt. Schmitt betrieb zudem eine rege Beethoven-Pflege und ließ die Neunte Sinfonie mehrfach erklingen. Inzwischen ist diese fest verankert im Repertoire der Staatskapelle. Auch Kammermusikreihen wurden vom Kapellmeister Schmitt erstmalig eingeführt. In der nächsten Spielzeit ist das Orchester in Sinfoniekonzerten, Beethovens IX oder den Kammerkonzerten zu erleben. 1905 wurde Schmitt mit einer Büste geehrt, die heute im Konzertfoyer steht.

Georg Alois Schmitt, Archiv Staatskapelle
Georg Alois Schmitt, Archiv Staatskapelle
Georg Alois Schmitt, Archiv Staatskapelle
Programmzettel Konzertabonnement und Premiere Beethovens IX von 1859, Archiv Staatskapelle
#7: Der Weg zur Staatskapelle
Mecklenburgische Staatskapelle Schwerin 1927 unter der Leitung von Willibald Kaehler
Mecklenburgische Staatskapelle Schwerin 1927 unter der Leitung von Willibald Kaehler

Nach dem Ende der Monarchie wurde Mecklenburg-Schwerin 1918 ein Freistaat. Die Neustrukturierung machte aus dem Hoftheaterorchester die Landeskapelle. Mit den neuen Landesverfassungen wurde der Name des Orchesters geändert, so auch 1928. Seitdem trägt das Orchester seinen heutigen Namen: Mecklenburgische Staatskapelle Schwerin. Auch das Theater selbst wurde 1928 auf den Namen „Mecklenburgisches Staatstheater“ getauft. Mit dem Beginn der Zeit des Nationalsozialismus änderten sich die Verhältnisse der Kapelle. Sie hatte nun nur noch eine Mitgliederanzahl von 52 Musiker:innen und wurde von NSDAP-Mitglied Ernst Nobbe geleitet. Glücklicherweise überstand das Theater Schwerin den Zweiten Weltkrieg ohne größere Schäden und war 1945 ein intaktes Theater, welches den Spielbetrieb direkt wiederaufnehmen konnte. Langsam bekam das Orchester wieder eine größere Mitgliederanzahl. Es wurden jetzt erstmals auch Kompositionen von verfemten Künstler:innen gespielt.

Am 9. November 2023 widmet sich die Staatskapelle in Kooperation mit dem Festival für Verfemte Musik den Opfern des Nationalsozialismus und gedenkt in einem Konzert den verfolgten und ermordeten Künstlern und Künstlerinnen.

#8: Alle für die Staatskapelle

Die Mecklenburgische Staatskapelle Schwerin wurde mit der Zeit immer angesehener und auch vielfach gefördert. Anfang der 1990er Jahre bestand sie aus ca. 100 Musikern und Musikerinnen. Doch seit dem Ende des Schweriner Hofes entscheidet kein musikliebender oder musiknichtliebender Herzog mehr über die Gelder, sondern die Politik, die den Landeszuschuss für Theater und Orchester deckelt. So kam es immer mehr zum Sparkurs in der Kultur, unter welchem auch die Staatskapelle litt. Im Sommer 1997 mussten 18 Stellen abgebaut werden und auch in den Folgejahren gab es Kürzungen. 2011 entfachte eine neue Spardebatte und in Schwerin zeigte sich ein großer Rückhalt in der Bevölkerung. Es wurde demonstriert, protestiert und für eine Petition 35.000 Unterschriften gesammelt. 2013 einigten sich das Land Mecklenburg-Vorpommern und die Staatskapelle auf eine Planstellenzahl von 58 bis zum Jahr 2020. Heute hat die Kapelle rund 63 Mitglieder und zählt zu einem von zwei A-Orchestern in Mecklenburg-Vorpommern mit einem gebührenden Ansehen in der Heimatstadt Schwerin.

Demonstration vom 26.03.2012 für den Kulturschutz
Demonstration vom 26.03.2012 für den Kulturschutz
Demonstration vom 26.03.2012 für den Kulturschutz
Demonstration vom 26.03.2012 für den Kulturschutz
#9: Großer Erfolg

2012 war nicht nur das Jahr der Kulturschutz-Demonstration, sondern auch das Jahr eines großen Erfolgs für das Orchester. Gemeinsam mit den österreichischen Solist:innen Giuliano Sommerhalder (Trompete), Simone Sommerhalder (Oboe) und Roland Fröscher (Euphonium) gewann die Kapelle den ECHO-Klassik-Preis für die Konzerteinspielung des Jahres (Bläser) mit Musik aus dem 19. Jahrhundert. Auf der Aufnahme finden sich Werke für Trompete des italienischen Komponisten Amilcare Ponchielli. Dirigiert wurde die Staatskapelle vom damaligen Generalmusikdirektor Matthias Foremny.

Bild: MDG - Musikproduktion Dabringhaus und Grimm
Bild: MDG - Musikproduktion Dabringhaus und Grimm

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