Zum Andenken an ein Theaterleben

Ballett, plattdeutsches Theater, Film- und Fernsehproduktionen: Marga Heiden spielte sich durch sämtliche Sparten der darstellenden Kunst und war zugleich ein Urgestein des Schweriner plattdeutschen Theaters. 32 Jahre lang spielte sie als festes Mitglied der Fritz-Reuter-Bühne in Schwerin und auf zahlreichen Gastspielen. Anlässlich ihres einhundertsten Geburtstages am 29. November 2021 wurde nun – pandemiebedingt in den Juni 2022 verschoben – eine von den Theaterfreunden gestiftete Gedenktafel an ihrem Haus in der Dr.-Hans-Wolf-Straße eingeweiht. Rolf Petersen, Direktor der Fritz-Reuter-Bühne, erinnert sich in seiner Laudatio an die Volkschauspielerin.

„Wenn man mit dem Herz dabei ist, kann man das 60 Jahre machen. Und ich habe wunderschöne Sachen gespielt“, sagte Marga Heiden in einem NDR-Interwiev zu ihrem Abschied aus dem Festengagement mit 76! Und da waren die Theaterjahre davor und danach noch gar nicht einmal mitgezählt!

 

Was für ein Theaterleben! Von Kindesbeinen an hat Marga an sämtlichen Sparten des Mecklenburgischen Staatstheaters auf der Bühne gestanden, und das sind mit ihren späteren Film- und Fernsehauftritten wirklich alle, die die Muse Thalia zu bieten hat.

 

1921 in dieser Stadt geboren, stand sie schon als Elfjährige im Kinderballett im Großen Haus auf der Bühne. Mit 13 Jahren begann sie dann als Elevin und erhielt ihre erste kleine Rolle in einem Handlungsballett. „Das war Der kleine Muck, da spielte ich eine Katze. Das Programmheft existiert auch noch. Somit kann ich beweisen, dass ich schon so lange am Theater bin“, erinnert sich Marga später. Als Siebzehnjährige absolvierte sie dann ihre Tanzprüfung in Hamburg noch vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs und blieb Solotänzerin am Mecklenburgischen Staatstheater – mit der Unterbrechung durch Goebbels‘ Theaterschließung 1944  bis kurz nach der Wiederaufnahme des Spielbetriebs ab 1945.

 

Dann holte sie die Schauspieldirektorin Lucie Höflich nach einem Monat Proben als vielbeachteten Puck in ihren Sommernachtstraum. Diese Vorbereitungszeit diente nicht zuletzt einem Training ihrer S-Laute mit einem Korken zwischen den Zähnen: „Und siehe da: Nach vier Wochen war mein S-Fehler weg!“, wie Marga später erzählt.

 

Nach abgelegter Schauspielprüfung spielte und sang sie dann als Darstellerin mit Operettenverpflichtung bis 1960 in zahllosen Lustspielen – etwa als Kammerjungfer Franziska in Lessings Minna von Barnhelm oder als Dienerin Toinette in Molières Der eingebildete Kranke – daneben auch in Operetten und sogar in der Oper.

 

Ein kurzes Ausscheiden aus dem Theater beendete sie spektakulär: Als eine Kollegin an der Fritz-Reuter-Bühne nach der Generalprobe erkrankte, lernte sie in einer Nacht die Rolle der Tochter in O, disse Mannslüd und rettete die Premiere. „Ich fand das beleidigend“, berichtete Marga. „Plattdeutsch, das kann ich nicht, sagte ich. Aber dann kam: Aber Frau Heiden, Sie sind Mecklenburgerin, in Schwerin geboren, Ihre Eltern sprechen platt, sie müssen doch auch platt sprechen. Ich sagte dann: Jaaa, ich kann zwar platt, aber ich kann das kaum lesen – und morgen ist Premiere...“

 

Mit noch größerem Erfolg übernahm sie vier Wochen später sogar die Rolle der Mutter im gleichen Stück und fand Gefallen am Plattdeutschen Theater. Eine gute Dekade später bekannte sie zum 50. Jubiläum der Reuter-Bühne in einem Interview: „Ich möchte dabeibleiben, bis ich umfalle. Heute schreibt man mir die Rolle auf den Leib, und es macht sehr viel Spaß, zumal die Stücke anspruchsvoller geworden sind als noch vor zehn Jahren.“

Marga Heiden 2003
Marga Heiden 2003
Einweihung der Gedenktafel zu Ehren von Marga Heiden
Die Gesellschaft der Freunde des Mecklenburgischen Staatstheaters Schwerin e.V. stiftete die Gedenktafel an Marga Heidens früheren Wohnhaus, die im Juni 2022 eingeweiht wurde.

Marga hat Wort gehalten. Sie blieb von 1965 bis 1997 festes und bis heute unersetzliches Ensemblemitglied der Fritz-Reuter-Bühne. Ihr Berufsgeheimnis hat sie schon zeitig gelüftet: „Ich beobachte gerne die Leute, wenn ich eine neue Rolle aufbaue. Manchmal haben sich schon Bekannte bei mir beschwert – so schlimm wären sie nun wohl auch nicht. Die Zuschauer kommen zu uns, weil sie Plattdeutsch sprechen und weil sie ihre eigenen Probleme humorvoll auf der Bühne wiederfinden.

 

Sowohl in den Fernsehaufzeichnungen der Theaterstücke vor und nach der Wende wie auch in einer Reihe von DEFA-Filmen und DDR-Fernsehproduktionen gelang ihr sogar noch der Sprung auf die Leinwand und auf die „Mattscheibe“, manchmal auch an der Seite ihrer Tochter Katrin, die ebenfalls Schauspielerin geworden ist und heute auch hier ist.

 

In ihren 32 Jahren fest im Reuter-Ensemble spielte Marga Heiden in fast jeder Inszenierung der niederdeutschen Sparte und auf fast jedem Abstecher über Land und wurde damit zu DER Volksschauspielerin, zu dem "Gesicht" der mittleren Reuter-Bühnen-Generation.

 

Aber auch nach Ausscheiden aus dem Festengagment 1997 durften wir Marga immer wieder live erleben, zuletzt bis 2005 – und 2003 war das meine erste Begegnung mit ihr - draußen in der Hufe 1 des Freilichtmuseums in Muess in dem köstlichen Tarnow-Abend Er war schon schief, als ich ihn kriegte. Nach einer guten Viertelstunde Programm hat sich der Tarnow-Stammtisch bestehend aus Andreas Auer, Eberhard Bremer, Frauke Ditschuneit und Hannes Plust schon in den Haaren und fragt sich, was denn wohl wäre: „Wenn MARGA hier wäre… – Und auf dieses Stichwort kam Marga aus dem Publikum, um als größter Tarnow-Fan mit Mötst di nich argern das Kleeblatt auf der Bühne komplett, Tarnow alle Ehre und auch mein Glück, sie kennengelernt zu haben, perfekt zu machen.

 

Veröffentlicht im Juni 2022

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